Out now: Wohnrevue 09-20

Thanks to Wohnrevue for the excellent magazine. The design magazine contains an interview by Katrin Ambühl with Robert Wettstein about the creation of the book “Der Landistuhl im Detail”.

Photos by Mihai Sovaiala.

Sammler und Jäger

von Katrin Ambühl

Der Zürcher Gestalter Robert Wettstein hat im Lockdown Zeit gefunden für ein kleines, feines Projekt: Ein Buch über den Landistuhl, den er seit 20 Jahren sammelt. Was ihn daran fasziniert, sind Details und Unterschiede in der Produktion, denn seit der Erstlancierung vor 80 Jahren wurde der Stuhl von diversen Herstellern produziert und mehrmals überarbeitet. Bei einem Atelierbesuch haben wir mit ihm über seine Minisammlung und über das grosse Schweizer Original gesprochen.

Robert, was macht für dich die Faszination des Landistuhls aus?
Er ist vielleicht der einzige und sicher der erste Schweizer Klassiker. Ein Möbel, das nicht nur wegen des Designs speziell ist, sondern vor allem wegen der Herstellungstechnik, die für damalige Zeiten bahnbrechend war. Der Landistuhl ist ein Schweizer Kulturgut und er besteht erst noch aus Aluminium, einem Material, das in der Schweiz in dieser Zeit eine grosse Bedeutung hatte. Aluminium wurde als Schweizer Metall Bezeichnet da es hier genug elektrische Energie gab um das Material zu produzieren.

Gab es einen Auslöser für deine Sammlung?
Ich bin von Natur aus ein Sammler und liebe das Recherchieren. Ich sammle zum Beispiel auch Spielzeug vom Gestalter Antonio Vitali die er für die Amerikanische Firma Creative Playthings entworfen hatte. Beim Landistuhl war der Auslöser die Liquidation von Mewa-Metalight vor 20 Jahren. Damals suchte ich Gartenstühle für daheim, und an der Firmenauflösung fand ich nicht nur Stühle, sondern auch der ganze Kosmos was es braucht einen solchen herzustellen. Später kamen interessanter Zeitdokumente wie Postkarten, Plakate und Prospekte aller Hersteller dazu.

Der Stuhl wurde für die Landesausstellung in Zürich 1939 entwickelt. Realisierte man damals schon, dass es ein besonderes Modell war?
Überhaupt nicht. Der Stuhl wurde 1938 von der Blattmann Metallwarenfabrik in Wädenswil entwickelt und an die Landi vermietet. Nach dem Ereignis wurde die Stühle – manche von ihnen mussten repariert werden – für 15.- verkauft. Im Ausstellungskatalog der Landi gibt es keinen einzigen Eintrag über den Landistuhl, nicht mal im Verzeichnis zum Schwerpunktthema Aluminium.

Wie siehst du die Rolle des Designers Hans Coray und die der Produzenten?
Der Landistuhl ist ein Gemeinschaftswerk von Hans Coray, vom Architekten Hans Fischli und von der Blattmann Metallwarenfabrik. Heute wird oft nur der Designer erwähnt, obwohl er in der eigentlichen Entwicklung nicht die treibende Kraft war. Das war ganz klar der Hersteller selbst, der den Ehrgeiz hatte, den Landistuhl zur Serienreife zu bringen.

In den 80 Jahren hat sich der Landistuhl immer wieder leicht verändert. Was sind die Eigenschaften des Originals?
Die sieben Lochreihen, die von oben unsichtbare Verschraubung und die typischen halbmondförmigen Füsse im Profil und natürlich die einzigartige Leichtigkeit des Stuhles.

Es gab eine Zeitspanne, in der der Stuhl nur noch sechs Lochreihen hatte. Für viele Designkenner war dieses Modell aus den 60er-, 70er-Jahre ein absolutes No-go. Darf man denn ein Original überhaupt verändern?
Ich persönlich finde dieses Modell gar nicht so verwerflich, und ich finde absolut, dass sich auch ein Original weiterentwickeln darf. Schon Mies van der Rohe hat damals gesagt, die Variante seines Barcelona-Sessel in Amerika sei eigentlich perfekter als die deutschen Vorkriegsversionen gewesen. Aber mir geht es nicht darum, ob etwas richtig ist oder falsch ist sondern den Diskurs darüber.

Worum geht es dir dann?
Es geht um kleine Produktionsunterschiede, z.B. wie die Hersteller mit dem Thema Verschraubung umgegangen sind, was gibt es für Stempel, wie ist das Gewicht. Die Produktion war und ist mit vielen Arbeitsschritten verbunden. Dies sieht man unter anderem bei der Lochung: ist sie tief oder hoch. Interessant ist auch das bei der aktuellen Version die Schale mit einem Hightechleim auf die Bügel des Untergestells geklebt werden. Das sind Feinheiten, die nur Nerds interessieren…

Hast du dich im Lockdown spontan entschlossen, ein Buch zu produzieren?
Ja. Meine Sammlung mit den neun verschiedenen Landistühlen ist abgeschlossen und ich wollte das Thema mit dem Buch in die Öffentlichkeit tragen. Zudem konnte ich mein Wissen in Bildbearbeitung und Layout etwas vertiefen. Ich könnte mir auch vorstellen, die Modelle auszustellen, nicht wie im Museum, sondern so, dass man die Stühle auch anfassen kann.


Dank seiner Ausbildung als Orthopädietechniker hat Robert Wettstein (*1960) ein solides handwerkliches Know-how, um Produkte zu gestalten. Und so entwarf er ab den 80er-Jahren als Quereinsteiger auch Möbel, Leuchten und Objekte. 2009 absolvierte Wettstein ein Masterstudium im Fachbereich Design, Art & Innovation an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Seit 1985 führt er ein eigenes Studio in Zürich, wo er sowohl als Orthopädietechniker als auch als Designer arbeitet. Zudem ist er an der ZhdK als Dozent und Mentor in der Fachrichtungen Industrial Desig und Trends & Identity tätig. Seine Papiermöbelunikate werden von der Churer Galerie Okro vertrieben.

Das Buch über den Landistuhl ist via Shop auf der Webseite erhältlich.

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www.wettstein.ws